TAROTRAF

… Es hieß Gedankenbote-App. Ein Prototyp, wie er immer wieder betonte. Sie solle damit nicht hausieren gehen. Es sei lediglich an ausgesuchte Betatester verteilt worden, die vertraulich damit umzugehen hatten. Ein Kurznachrichtendienst. Definitiv abhörsicher. Es erlaubte, den Benutzern dieses Programmes, sich untereinander zu verständigen, zeitunabhängig und über beliebige Distanzen hinweg, ohne dass der Empfänger der Nachricht für die neugierigen Behörden zu ermitteln gewesen wäre. Abhörsichere Software zu benutzen, war im Grunde streng verboten. Doch Noah war sicher, damit nirgendwo Argwohn zu wecken. Denn die Sender der Nachrichten zu orten, war für die Geheimdienste annähernd unmöglich. Wie alle Wünsch-Dir-was-Apps umging es zur Übertragung von Daten alle üblichen Kommunikationsnetze. Es streute seine verschlüsselten Datagramme stattdessen unauffällig unter den Funk des allgegenwärtigen Verkehrsleitsystems TAROTRAF, mit dem man inzwischen die Straßennetze ganz Europas, der USA und Kanada ausgestattet hatte. Es war dazu da, Autos, Busse und LKWs Informationen untereinander austauschen zu lassen. Besonders dann, wenn sie ohne Kontrolle eines Fahrers unterwegs waren. Was bereits zu sechzig Prozent der Fall war.

Nur wer seinen Führerschein bereits länger als fünfzehn Jahre besaß, dem war es noch erlaubt, Kraftfahrzeuge manuell zu steuern, ohne sich regelmäßigen Prüfungen unterziehen zu müssen. Für neu dazugekommene Verkehrsteilnehmer waren derartige Lizenzen unattraktiv geworden. Autonome Fahrzeuge durfte nämlich jeder benutzen, der über achtzehn war, nachweislich eine Haftpflichtversicherung finanziell unterstützte und über eine Monatskarte der Londoner Verkehrsbetriebe verfügte. Damit war auch die Inanspruchnahme von TAROTRAF abgedeckt, die den automatisch gelenkten Transportmitteln zu Vertrauen erweckender Intelligenz verhalf.

Wenn man jedoch eine Selbstfahrerlizenz benötigte – unlimitiert – etwa weil man Fahrzeuge aus beruflichen Gründen zu bewegen hatte, war es unumgänglich, kräftig zu investieren. Man musste sich aufwendigen Schulungen unterziehen. Alle vier Jahre wurde geprüft, ob die Inhaber neuerer Führerscheine konditionell, emotional sowie intellektuell in der Lage waren, ein Fahrzeug technisch zu beherrschen. Ob sie fähig waren, problemlos im Verkehrsfluss mitzuschwimmen, ohne unnötige Staus zu verursachen. Und zwar bei Tag und Nacht gleichermaßen; bei Regen ebenso, wie in Schnee und Eis. Sie mussten demonstrieren, wie sie das Fahrzeug im Notfall sicher am Grenzbereich bewegten, dass sie Bremswege realistisch einschätzten und vor allem hatten sie zu beweisen, dass sie den Mumm besaßen, die Beschleunigungsstreifen an den Einfahrten zu Schnellstraßen bestimmungsgemäß zu gebrauchen. Ein Stress, dem sich mehrheitlich nur noch die Fahrer einspuriger Fahrzeuge aussetzten. Motorräder waren mehr denn je Ausdruck individueller Freiheit geworden. Ein Moped zu beherrschen, war eine anspruchsvolle Aufgabe. Das war es immer gewesen. Dass man sich dahingehend schulen lassen musste, war für Biker eine Selbstverständlichkeit. Das Positive daran war, der allgemeine Zwang zur professionellen Fahrerausbildung senkte die Unfallstatistik erheblich. Ganz allgemein profitierten alle Zweiradfahrer davon, dass sie sich nicht mehr wie in früheren Zeiten vor verpeilten Autofahrern in acht nehmen mussten. Entweder beherrschte man seine Aufgabe aus dem FF oder man ließ sich vom Autopilot fahren …